Vergiftete Bücher

Milo Yiannopoulos und die Gefahren für die Buchkultur

nachtbibliothekar
krimiblog.com
Published in
3 min readJan 5, 2017

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Es ist das gängige Muster der neuen Rechtsextremen aus Provokation, Hass, Selbstbeweihräucherung und Opferrolle: Der Buchdeal des Breitbart-Autors Milo Yiannopoulos sorgt seit Ende Dezember 2016 in der angloamerikanischen Verlagswelt für Aufsehen. Er selbst nennt sich „Dangerous Faggot“ (gefährliche Schwuchtel) und kokettiert mit seiner Homosexualität.

Yiannopoulos hetzt gegen Feministinnen, gegen Schwarze, gegen Muslime und obwohl er selbst jüdische Wurzeln hat, gibt es antisemitische Äußerungen von ihm. Wer sich Ausschnitte aus einem längeren Interview mit ihm anschaut, sieht einen tuntigen Blender, dem es um billige Provokation, um Nabelschau und um größtmögliche Aufmerksamkeit für sein offenbar von Selbsthass zerfressenes Ego geht. Ein Psychologe hätte vermutlich viel zu tun, um zu schauen, was denn da in der Kindheit so alles falsch gelaufen ist.

Dieser Milo Yiannopoulus hat nun also einen Buchdeal mit dem Verlagsriesen Simon & Schuster abgeschlossen. 250.000 Dollar soll er angeblich für seine Biografie „Dangerous“ erhalten haben, der Verlag schweigt zu der Summe. Erscheinen soll das Buch im März 2017 in dem Imprint Threshold, in dem konservative Stimmen verlegt werden, darunter etwa das Buch „Great Again: How to Fix Crippled America“ des künftigen US-Präsidenten Donald Trump. Jedes größere Verlagshaus unterhält solche Imprints, in dem konservative bis rechtsgerichtete Autoren (und ja, es gibt auch wenige Autorinnen) verlegt werden. Bei Random House ist es der Ableger Crown Forum, Penguin unterhält Sentinel und bei HarperCollins ist es das Imprint Broadside Books. Das große Verlagshäuser eine umfangreiche Bandbreite politischer Meinungen von links bis rechts publizieren, entspricht der demokratischen Vielfalt und Meinungsfreiheit. Problematisch wird es dann, wenn einzelne publizistische Stimmen auf die Zerstörung dieser Vielfalt abzielen, wenn sie mit Provokation vor allem nur eines im Sinn haben: Damit Geld zu verdienen und zwar mit etwas, das nichts als ein gefährliches Windei, eine vernichtende Schaumschlägerei ist. Darauf dürfen wir uns nicht einlassen.

Nachdem medial wohl inszenierten Buchdeal werden erste Stimmen laut, die Widerstand gegen die Veröffentlichung von „Dangerous“ ankündigen. So will die Chicago Review of Books im Jahr 2017 keine Bücher aus dem Hause Simon & Schuster besprechen. Der britische Verlagsableger von Simon & Schuster wird das Buch nicht in Großbritannien veröffentlichen. Einzelne Autorinnen und Autoren, die im gleichen Verlag bzw. in dessen Imprints erscheinen, kritisieren die Entscheidung, das Buch von Yiannopoulus zu veröffentlichen. Axel Rühle hingegen hinterfragt in seinem Artikel „Cover-Boy der alternativen Rechten“ (kostenpflichtig) einen möglichen Boykott. Schadet die Ächtung eines ganzen Verlagshauses nicht den Autorinnen und Autoren, die eben für diese Vielfalt stehen? Erinnerungen an den Fall Akif Pirinçci werden wach. Nach dessen umstrittenen KZ-Äußerungen während seiner Rede im Oktober 2015 zog Random House alle bislang von Pirinçci veröffentlichten Bücher — in der Mehrzahl seine Katzenkrimis — vom Markt zurück. Und es folgten die üblichen Muster der rechten Populisten: Man sprach von „Zensur“ von „Barbarei im deutschen Buchhandel“ und gefiel sich einmal mehr in der Opferrolle. Es sind die kalkulierten und durchschaubaren Mechanismen der Rechten, denn Pirinçcis Bücher wurden nicht verboten und die Rechtsausleger der Medienwelt haben viele Möglichkeiten, ihre Hetzparolen unters Volks zu bringen. Es ist ein Schlag ins Gesicht der Autorinnen und Autoren, die tatsächlich unter Zensur zu leiden hatten und haben — bis heute, in vielen Ländern.

Es ist kaum zu erwarten, dass das Buch von Milo Yiannopoulos vom Verlag zurückgezogen wird, es sei denn, der als Plagiator bekannte Autor liefert nichts ab. Als Leser stellt sich mir allerdings schon die Frage, inwieweit große Verlagshäuser ihrer Verantwortung gerecht werden. Verleger und Herausgeber müssen sich die Frage gefallen lassen, wen sie verlegen, welche Stimmen sie zulassen und ob diese Stimmen Ausdruck einer demokratischen Streitkultur sind, oder ob es um billigen Populismus und Provokation geht, die ein Ziel hat, nämlich diese Vielfalt zu beschädigen oder gar ganz abzuschaffen und damit auch noch Geld zu verdienen.

“It will be a toxic book to try and sell here.” — so wird ein ungenannter Verlagsinsider nach der Ablehnung durch den britischen Ableger von Simon & Schuster zitiert. Vergiftete Bücher braucht niemand und wenn Verlage, die nur noch die Dollar-Zeichen im Sinn haben, solche giftigen Bücher verlegen, beschädigen sie sich und die gesamte freie Buchkultur. Mit verheerenden Folgen.

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aka karl ludger menke - human since 1966 | librarian since 1992 | dj since 1994 | online editor since 1999 | blogger since 2005 | t.b.c.